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Rede zum Haushaltsentwurf 2013 am 19.03.2013

 

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

Sehr verehrte Ratsmitglieder,

liebe Bürgerinnen und Bürger,

der Haushalt der Gemeinde Wickede zeigt in den kommenden vier Jahren im Zeitraum von 2013 bis ins Jahr 2016 ein Defizit auf, bei dem die Summe der Einnahmen regelmäßig geringer ist als die Höhe der Ausgaben.

Lassen Sie uns kurz einige wichtige Eckdaten des Haushaltsentwurfes betrachten:

Die Summe des Defizits in den nächsten vier Jahren beträgt etwa 4 Mio. Euro[1]. Das Gesamtvolumen der Kredite, deren absolute Höhe mit 23,4 Mio. im Planentwurf für Ende 2013 enthalten sind, wird dann um eine weitere Million auf 24,4 Mio. Euro angestiegen sein[2]. Von diesen Krediten sind dann bis zu 10 Mio. Euro[3] in kurzfristigen Krediten gebunden, welche zur Zeit am Markt extrem zinsgünstig zu bekommen sind, aber ein Risiko im Fall eines generellen Anstiegs des Zinsniveaus bilden.

Dabei kann die Gemeinde Wickede im Vergleich zu anderen Kommunen auf sogar recht robuste Gewerbesteuereinnahmen verweisen. Bereits in unserer Haushaltsrede zum Jahr 2012 hatten wir aber dargestellt, dass wir die Planansätze der Gewerbesteuer damals schon für zu „optimistisch“ gehalten haben, aber das Wunschdenken der Gemeindeverwaltung, die Beschränkungen der Haushaltssicherung verlassen zu können, hat sich durchgesetzt.

Bleiben wir einen Moment bei der Gewerbesteuer, denn sie stellt eine Chance und ein noch größeres Risiko für die Haushaltplanung dar: Gesetzt den Fall, die Zahlen entwickeln sich bis 2016 so wie im Plan angenommen, wäre es möglich, in 4 Jahren wieder einen ausgeglichenen Haushalt zu bekommen. Würden sich aber die Gewinne der Wickeder Unternehmen in den nächsten Jahren verringern, so geht die Gewerbesteuer automatisch zurück, denn Unternehmen, die geringen oder keinen Gewinn machen, zahlen eben auch keine Gewerbesteuer. Das ist von Rat und Verwaltung nicht beeinflussbar und sollte berücksichtigt werden, wenn man Kosten und Nutzen von neuer Gewerbeansiedlung gegeneinander abwägt. Im Zusammenhang mit der Gewerbesteuer ist mir eine Äußerung vom Fraktionsvorsitzenden der CDU in Erinnerung, der in der Diskussion zur Haushaltsrede 2010 sinngemäß sagte, dass „Wickede ja nie in den Nothaushalt gekommen wäre, wenn die Gewerbsteuer so weitergeflossen wäre wie bisher“. Das ist als Anspruch für eine konservative Haushaltsführung und -planung zu wenig. Realistischerweise hätten daher auch im Vorjahreshaushalt  maximal 7 Mio. Euro angesetzt werden dürfen, auch wenn man dadurch in der Haushaltssicherung verblieben wäre. Als Schlussfolgerung für die Zukunft lässt sich damit feststellen, dass diese Zahl für jeden Haushalt von der Verwaltung eher niedrig geschätzt werden sollte, um den Haushaltsplan im Bezug auf sein Ergebnis realistisch darzustellen. Für 2013 sind 7,2 Mio. Euro angesetzt, was unseres Erachtens so gerade vorsichtig genug ist. Aufgrund der Geheimhaltung der Gewerbesteuer fehlen dem Rat an dieser Stelle Hintergrundinformationen, so dass die Verwaltung in der Pflicht ist, diese Zahl realistisch abzuschätzen.

Aber entbindet uns ein strukturelles Defizit von der Verpflichtung, alles Denkbare zu tun, um eine möglichst sparsame Haushaltsführung anzustreben?

Man könnte dieser Meinung sein, wenn man einzelne Punkte aus der Rede von Bürgermeister Arndt herausgreift, als er den Haushaltsentwurf der Verwaltung in den Rat eingebracht hat. Zunächst wurde in der Rede durch den interessanten Kniff, das in der Höhe vergleichbare Gesamtvolumen der Haushalte aus den Jahren 2004 und 2013 nebeneinander zu stellen, einige Ursachen der Mißstände deutlich.

So entziehen die gestiegene allgemeine Kreisumlage der Gemeinde Wickede Finanzmittel in Höhe von 1,6 Mio. Euro sowie die gestiegene Jugendamtumlage in Höhe von 1,4 Mio.; also in Summe rund 3 Mio. Euro, wenn man das Jahr 2013  mit dem Jahr 2004 vergleicht.

Doch anderen Kommunen geht es an dieser Stelle nicht anders, und die dahinterstehenden Regelungen des Gemeindefinanzierungsgesetzes sind auch kein Novum.

Die Vorhaltung der Verwaltung, dass die Einwohner einer 600.000 Personen-Metropole ungerechterweise mit 150% gewichtet werden, gab es im Gemeindefinanzierungsgesetz so oder so ähnlich auch schon in 2003. Seitdem haben die Regierungsfarben von Rot zu Schwarz zu Rot-Grün mehrfach gewechselt, und keine auch der hier im Rat der Farbe nach vertretenen aktuellen oder ehemaligen Regierungsparteien hat das bisher geändert. Erstmalige Klagen gegen das GFG gab es schon in 2008 unter der schwarz-gelben Landesregierung.

Das Land  NRW selbst hat den Ansatz der Schlüsselzuweisungen zur Umverteilung auf die Gemeinden und Städte im übrigen von 7,5 Mrd. Euro in 2008 auf 8,5 Mrd. in 2013 erhöht, so das von Sparpolitik auf Kosten der Gemeinden zumindest nicht von der reinen Höhe her gesprochen werden kann, sondern von den zugewiesenen Aufgaben.

Aber auch an anderer Stelle wird von der Verwaltung Ungerechtigkeit gesehen, wenn beispielsweise die Erhöhung der Grundsteuer in Nachbarkommunen nicht in die Berechnung der Schlüsselzuweisungen eingeht. Diese Argumentation zielt unseres Erachtens in die falsche Richtung, denn wenn Nachbarkommunen nach Jahren großer Haushaltsdefizite endlich einen Befreiungsschlag versuchen, dann kann man doch nicht davon ausgehen, dass man hier in Wickede über die Einberechnung in die Schlüsselzuweisungen davon auch noch profitieren möchte?

Wir müssen aus Sicht der Bürgergemeinschaft ein klares Verständnis in der Wickeder Politik dafür bekommen, dass wir unsere Finanzen soweit wie möglich aus eigener Kraft regeln und diese ständig kritisch hinterfragen und erst in einem weiteren Schritt äußere Umstände für Fehlbeträge verantwortlich machen.

Hinsichtlich der vorgenannten äußeren Umstände und Rahmenbedingung sind übrigens offenkundige Widersprüche in den Parteiaussagen der alten Parteien wie CDU, SPD, Grüne und FDP gleichermaßen enthalten, wenn man deren Aussagen mal auf Bundesebene, mal auf Landesebene und - wie hier - auf kommunaler Ebene miteinander vergleicht.  

Als Beispiel stellvertretend für diese Widersprüche möge hier der Artikel der SPD mit der Überschrift „Wie im Hamsterrad“ von der vergangenen Woche genannt sein, der sich Teile der Argumentation der Wickeder Verwaltung über die Unausweichlichkeit eines Defizits zu eigen gemacht hat. Gleichzeitig stellt die SPD doch die Landesregierung. Welch besserer Draht ließe sich denken, um den tatsächlichen oder vorgeblichen Misständen im Gemeindefinanzierungsgesetz entgegenzutreten? Diesen Anspruch der Interessenvertretung haben wir als Bürgergemeinschaft aber auch an die übrigen Fraktionen, die sämtlich im Landtag und Bundesebene ihre Vertreter haben. Und vielleicht können Sie uns dann bei der Gelegenheit auch mal erklären, wie die spätestens ab 2020 vorgesehen Neuverschuldungsbremsen auf Ebene des Bundes und der Länder dann hier ins Bild passen und wie sich unter diesen Rahmenbedingungen dann ein kommunaler Haushalt finanzieren lässt. Man darf daher befürchten, dass der richtige Schlag mit der finanziellen Keule für die Kommunalfinanzen aus Richtung von Bund und Länder erst noch kommen wird.

 

 

 

 

Zu den allgemeinen aktuellen Rahmenbedingungen in der Gemeinde:

Die Gemeinde Wickede gehört im Kreis Soest zu denjenigen Gemeinden, die bis 2025 eine deutliche Verringerung der Einwohnerzahl bis auf rund 11.000 Einwohner wird hinnehmen müssen. Gleichzeitig wird sich die Alterstruktur von jung nach alt dramatisch umkehren[4].

Die Vorboten dieser Entwicklung sind in der Gemeinde Wickede schon offenbar, wenn man sich die Geschäftschließungen und Leerstände anschaut, die in den letzten 2 Jahren stattgefunden haben. Vor diesem Hintergrund ist das Einzelhandelskonzept aus dem Jahr 2009 schon fast bei dessen Beschluss überholt worden. Die Bestellung bei Amazon und Ebay ist zur Normalität geworden, und sich diesem Trend entgegenzustellen ist für die Gemeinde und die Einzelhändler offenbar nicht mehr möglich. Aus diesem Grunde befürworten wir die Erschließung eines Lebensmittelmarktes an der Waltringer Straße.

Mit dem Gelände an der Marscheidstraße hat die Gemeinde noch ein letztes Faustfand zu einer graduellen Verbesserung der Lage im Kernbereich von Wickede an der Hand, aber der Trend wird sich nicht umkehren lassen.

Eine Doktrin, über neue Einwohner der Gemeinde zu Wachstum zu verhelfen, ist illusorisch. Entsprechend restriktiv sollte jeder neue Flächenverbrauch für Wohnzwecke außerhalb bestehender Bebauungspläne gesehen werden, bei dem die Gemeinde geht in finanzielle Vorleistung geht.

Generell werden sich demographiebedingt in den nächsten Jahren für Verwaltung und Rat neue Aufgabenfelder stellen, die wir heute noch nicht klar formulieren können.

Ein großes „Plus“ Wickedes sind sicherlich seine Industriebetriebe. Der Anteil an verarbeitender, produzierender Industrie ist doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt. Diese vorhandene Industrie sollte gestärkt werden, soweit man den formulierten Ansprüchen entgegenkommen kann. Flächenmäßige Erweiterungen sollten angesichts der topographischen Verhältnisse aber mit einem Kosten - / Nutzenverhältnis belegt werden können.

Hinsichtlich der Schulsituation ist zu sagen, dass hier traditionell bedeutende Mittel für die Infrastruktur von der Gemeinde aufgewendet werden, die wir in den nächsten Jahren von 1,5 Mio. Euro auf 1,75 Mio. Euro sogar noch um ca. 250.000 Euro/Jahr erhöhen[5]. Die Schulen mit ihren Lehrern und Rektoren haben dies damit gedankt, dass die Schulen auf Gemeindegebiet allesamt einen guten Ruf genießen. Dem Wickeder Bürger muss aber auch klar gesagt werden dürfen, dass diese komfortable Schulsituation mit Kosten für die Infrastruktur verbunden ist, die den Wickeder Haushalt belasten.

Vorschläge der Bürgergemeinschaft angesichts der Haushaltssituation:

1.) Da die sich die Notwendigkeit der Haushaltssicherung über mehrere Jahre abzeichnet, sollte es einen  etwa 3 mal im Jahr tagenden Arbeitskreis geben, in dem die Verwaltung einen Forecast der finanziellen Lage der Gemeinde erstellt und über wesentliche Änderungen informiert. Gleichzeitig könnten in diesem Gremium unterjährig Vorschläge von den Fraktionen zur Haushaltsführung entwickelt werden.

2.) Für Mitarbeiter der Verwaltung wie auch für Rats-/ Ausschussmitglieder sollten gemeinsame Fortbildungen hinsichtlich der Haushaltsrechts angesetzt werden, damit ein gleiches Verständnis der rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Hintergründe erreicht wird.

3.) Der Rat wird auch nicht umhin kommen, seine eigene Entschädigungsordung und die Anzahl seiner Mitglieder zu überprüfen.

Die BG-Fraktion wird diese Vorschläge in den nächsten Tagen mit entsprechenden Anträgen in den Rat einbringen.

In § 10 der Gemeindeordnung heißt es, „die Gemeinden haben ihr Vermögen und ihre Einkünfte so zu verwalten, dass die Gemeindefinanzen gesund bleiben“.

Wir wollen das Unsrige dafür tun, um dieser gesetzlichen Anforderung nachzukommen.

Zur Zustimmung / Ablehnung des Haushaltes 2013:

Die Fraktion der BG stellt ihren Ratsmitgliedern frei, für oder gegen den Haushalt zu stimmen.

Zur Erläuterung:

Formal ist gegen den Haushaltsentwurf 2013 nichts vorzubringen, so dass wir diesem Entwurf zustimmen könnten. Wir befürchten aber, dass sich in der Wickeder Politik wie zuvor geschildert eine Mentalität einschleicht, dass man aufgrund äußerer Rahmenbedingungen „sowieso“ nichts an der Situation ändern kann. Auch die Vorjahresplanung 2012, die deutlich zu optimistisch war, spielt hier eine Rolle. Die Fraktion ist daher nicht zu einem einheitlichen Abstimmergebnis gekommen.    

Zu guter Letzt wollen wir uns an dieser Stelle noch bei Herrn Kämmerer Wiese für seine Erläuterungen und fachkompetenten Ausführungen zum Entwurf des Haushaltsplans bedanken.

 

 

Für die Fraktion der Bürgergemeinschaft (BG) Wickede e.V.

Thomas Schäfer, 19.03.2013

 

 

 



[1]S. 17 Gesamtfinanzplan der Gemeinde Wickede 2013

[2]  Eigene Schätzung

[3]  § 5 der Haushaltssatzung der Gemeinde Wickede (Ruhr) für 2013

[4]Einzelhandelskonzept 2009 S. 11 ff.

[5]Vergleich der Summe aller Schulen inklusive Förderschulen von 2011 nach 2013